Der Digitale Wandel tangiert alle Bereiche des Bauwesens und stellt alle Beteiligten vor neue Herausforderungen. Das zentrale Element der Digitalisierung im Bauwesen stellt der Einsatz von Building Information Modeling , kurz BIM. In Deutschland findet die überwiegende Mehrheit der Bauleistung im Bestand statt. Die nachhaltige Bestandsentwicklung stellt somit eine zentrale Aufgabe dar. Der Bestand ist in den meisten Fällen mangelhaft dokumentiert, so dass immer häufiger eine digitale Bauwerkserfassung und anschließende 3D-Modellierung in Auftrag gegeben werden.
Die normative Strukturierung der Planungsmethode BIM äußert sich u.a. in den Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA), die je nach BIM-Anwendungsfall konkrete Vorgaben für die Ausschreibung und Umsetzung der Datenerfassung und Aufbereitung festlegen. Im Bezug auf das Bauen im historischen Bestand stehen die Denkmalschutzbehörden und Planer vor einer Herausforderung, die tradierten Vorgaben aus der analogen Bauaufnahme (Handaufmass) mit festgelegten Detaillierungsgraden und einem graphischen Darstellungskanon in digitale 3D-Modelle zu überführen.
Das Forschungsvorhaben möchte hier ansetzen und für den BIM-Anwendungsfall – Bestandserfassung eine Arbeitsmethode und eine Vorlage für die AIA zur Dokumentation von historischen Bauwerken in Abstimmung mit der Denkmalpflege entwickeln. Hierbei kommt der Einsatz von unterschiedlichen Messverfahren, die Registrierung der erfassten Punktwolken sowie die Überführung der Geometrie in ein BIM-konformes 3D-Informationsmodell und nachhaltige Datenablage.
Von besonderem Interesse sind die Anforderungen an die Dokumentation seitens der Denkmalschutzbehörden sowie die Umsetzungsstrategien, insbesondere hinsichtlich der verformungsgerechten Bauaufnahme und der 3D-Modellierung unter Berücksichtigung der Informationsbedarfstiefe (LOIN nach EN 17412 – 1:2020) . Darüberhinaus stellt sich die Frage nach geeigneter Zurverfügungstellung und Archivierung der 3D-Punktwolken und der mit Informationen angereicherten digitalen 3D-Modelle sowie begleitender Dokumente für die Objektverwaltung, Planung und den Wissenstransfer.
Am Beispiel der digitalen Bauaufnahme der Synagoge in Przysucha (Polen) erfolgte die Datenerfassung und Datenverarbeitung sowie strukturierte Dokumentation von Punktwolken und Messbilder in Pointcab. Die 3D-Modellierung in ARCHICAD folgte einer neukonzipierten Informationsbedarfstiefe anhand der eingespielten Punktwolken und Messbilder. Dabei wurden vier unterschiedliche Ausarbeitungstiefen festgelegt, die eine stufenweise Abbildung der Geometrie und der alphanumerischen Informationen je nach Bedarf bis zur verformungsgerechten Modellierung ermöglicht. Die dichte Punktwolke im 3D-Modell dient als detailgetreue Referenz und Quelle für die Ausarbeitungstiefen. Für die Abbildung denkmalpflegerisch relevanter Informationen im 3D-Modell wurden objektbezogenen Klassifizierungen in Anlehnungen an das britische Standard MIDAS Heritage zur Informationserfassung von Denkmälern in ARCHICAD erfolgreich implementiert. Im Ergebnis liegt ein Bauwerksinformationsmodell vor, das eine umfassende Dokumentation des Objekts in vier Ausarbeitungstiefen der Geometrie- und Informationsmodellierung über das Datenaustauschformat IFC ausgeben kann. Die Forschungsergebnisse werden in Abstimmung mit der Landesdenkmalpflege in der Arbeitsgruppe Historische Bauforschung der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern (VDL) vorgestellt.
Betreuer
Prof. Dr.-Ing. Piotr Kuroczyński – Architekturinstitut der Hochschule Mainz
Laufzeit des Projekts
Forschungssemester SS 2022
Kooperationspartner
Warsaw University of Technology, Karol Argasiński
BIMfaktoria, Karol Argasiński
Foundation for the Preservation of Jewish Heritage in Poland, Piotr Puchta
Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Dr. Alexandra Fink, Jutta Hundhausen
Finanzierung
Hochschule Mainz (Forschungssemester)